Welzenbacher war in den Siebzigern in Graz wenig bekannt. Geändert hat sich das schlagartig mit der umfassenden Bestandsaufnahme der Österreichischen Architektur durch Friedrich Achleitner, welche den Fokus in einer kaum vorstellbaren Weise zurechtgerückt hat.
So hat die frei-fliessende Formenwelt beim Haus Heyrovsky bleibenden Eindruck hinterlassen.
Schon als noch-nicht-Studenten ist Corbusiers Ronchamp eine Ikone, und die Erkenntnis, dass Welzenbacher sich diese Freiheiten des Gestaltens bereits zwanzig Jahre vorher genommen hat, war erstaunlich (mit Scharoun ist er einer der wenigen Pioniere auf diesem Feld).
Vom Zug aus ist in Innsbruck das hermetische Sudhaus Adambräu mit der tiefliegenden Glasfassade immer markant zu sehen und hat zu Spekulationen über den Inhalt angeregt. Bei den seltsamen Zipfelmützen der Kegeltürme der heute nicht mehr existenten Tonhalle in Feldkirch war man etwas ratlos geblieben.
Welzenbacher hat viel gebaut und noch mehr gezeichnet. Die verbundenen Doppelscheiben des Projekts zur Verbauung des Scheldeufers in Antwerpen von 1933 tauchen nach dem Krieg als Vorschlag wieder auf für die Verbauung des Donaukanals in Wien. Eine Realisierung dieser filigranen und zukunftsweisenden Strukturen hätte weitreichende Vorbildwirkung haben können.
Das unrealisiert gebliebene Projekt für ein „Kleinsthaus“ in Absam bei Innsbruck bringt „Architektur“ auf den Punkt.
Selten hat man als Architekt das Erlebnis, dass ein seit langem aus der Publizistik bekannter Bau auf einer Reise plötzlich in ungestörter Präsenz – was Gestalt, Umfeld und Benutzung betrifft – auftaucht.
So geschehen bei einer Fahrt durchs Salzkammergut nach einer Preisverleihung zusammen mit Helmut Richter, als nach einer Wegbiegung unvermutet, wie ein Reh auf einer Lichtung, das Plischke Haus am Attersee auftaucht.
Oder beim Anflug auf Innsbruck der zerstört vermutete Schlüsselbau von Lackner – die Ursulinenschule – in ganzer Pracht im Fenster zu sehen ist.
So ist uns auch das Haus für Mimi Settari von Welzenbacher begegnet. Bis dahin völlig von uns unterschätzt in seiner auf Fotos (im Gegensatz zum Plan) geradezu „bamstigen“ oder „verhatschten“ Gestalt. Am Abhang über dem Etschtal bei Barbian, auf einem Spaziergang von den eigenwilligen drei Kirchen (wie die Verdoppelung einer Wendeltreppe in der Grazer Burg zu einem grandiosen Raum wird, werden drei eng gestellte einfache Kirchen zu einer markanten Figur) zum schönen Berghotel von Lanzinger, war das „Reh auf der Lichtung“ plötzlich wieder da, als das Settari Haus unerwartet dasteht: eine aus dem Licht geschälte, dreidimensional geformte, der Topografie entwachsene Plastik.
Zusammen mit seiner Umgebung ist das Haus eine Formschöpfung von selbstverständlicher und zeitloser Eleganz, erfassbar nur wirklich in der Realität.
Artec – Bettina Götz und Richard Manahl